«Es gibt wenige Orte, wo so viel Empathie und Zugehörigkeitsgefühl herrscht, wie unter den in Basel ansässigen Institutionen.»
Über 15 Jahre hinweg hat Carlo Knöll eine erfolgreiche Galerie am Basler Luftgässlein geleitet. Im Juni hat er dort die erste Ausstellung unter der Flagge von Hauser & Wirth eröffnet. Im Interview mit uns spricht Knöll über seine Beziehung zur Kunst, die Chancen des Wechsels zu Hauser & Wirth sowie die Bedeutung der Hammershøi-Ausstellung als Erstpräsentation.
Du hast die Galerie Knoell selbst aufgebaut und in 15 Jahren zu einem erfolgreichen (Familien-)Unternehmen gemacht. Jetzt leitest Du am selben Standort die Galerie Hauser & Wirth Basel. Mit welchen Emotionen schaust Du auf diesen Wechsel?
CK: «Meine Hoffnung war, und die wurde auch erfüllt, dass es gar keinen wirklichen Unterschied gibt: Ich kann mich inhaltlich mit dem befassen, mit dem ich mich immer schon beschäftigt habe. Obwohl sich die Umstände natürlich geändert haben, denn ich befinde mich in einer neuen Rolle und einem neuen Umfeld mit neuen Herausforderungen, aber auch Chancen. Ich bin aufrichtig und ehrlich an Kunst interessiert und verfolge Positionen meist über eine lange Zeitspanne hinweg. Vilhelm Hammershøi ist das beste Beispiel dafür. Die Galerie hatte bisher keine Berührungspunkte mit ihm, mich aber hat das 19. Jahrhundert schon immer interessiert. Auch mit Verena Loewensberg oder Meret Oppenheim beschäftige ich mich schon lange, was unmittelbar im Programm der Galerie artikuliert werden wird. Gewissen anderen Positionen werde ich nicht mehr dieselbe Aufmerksamkeit schenken können, das ist klar. Im Grossen und Ganzen erlebe ich den Wechsel aber wie gesagt in einem hohen Mass als Kontinuum, wofür ich sehr dankbar bin.»
Die Galerie Knoell hast Du im Alter von 20 Jahren gegründet. Woher kam diese frühe Leidenschaft für die Kunst?
CK: «Ich wusste bereits mit 16 Jahren, dass ich Kunsthändler werden will und hätte dafür am liebsten die Schule abgebrochen, denn ich konnte es nicht erwarten, mich endlich ausschliesslich damit zu befassen. Aber ich war auch familiär vorbelastet: Meine Mutter ist Künstlerin und mein Vater war Rahmenmacher und Sammler, was natürlich zu einem frühen Kennenlernen dessen geführt hat, was für eine Wichtigkeit Kunst haben kann. Damit meine ich insbesondere die emotionale Ebene, also was Kunst auslösen kann, wenn man sich mit ihr auseinandersetzt; die Überraschungen und Entdeckungsmomente, die sich bei der Beschäftigung mit ihr ergeben. Viele dieser Erlebnisse, in der das Physische, Theoretische, Emotionale und Überrationale ineinander laufen, machte ich zum ersten Mal mit ‹alter› Kunst.»
Im Juni habt ihr die erste Show in der Basler Branch eröffnet. Wie haben sich die Vorbereitungen dazu gestaltet und wie wurde die erste Ausstellung aufgenommen?
CK: «Insgesamt waren diese Erwartungen sehr hoch, denn es begann sowohl für die Galerie als auch für mich ein neuer Abschnitt, und dieser musste auch auf nonverbaler und emotionaler Ebene kommuniziert werden. Mir war es aber wichtig, dass in die neue Geschichte, auch die zurückliegende inkorporiert wird. Für mich war insbesondere die eigene Erwartungshaltung an die Eröffnungsausstellung ein starker Motor und Inspirator.
Bei der Wahl von Vilhelm Hammershøi war mir klar, dass es unter den Kenner:innen für Aufmerksamkeit sorgen würde - aber das wirkliche Projekt musste natürlich sein, das Publikum für diesen Künstler zu vergrössern. Es gab viele Ungewissheiten, auf die ich mich vorbereiten musste: Wie wird diese Show medial aufgenommen und wie reagieren die Besucher:innen auf diese klassische Position, die man so im Hauser & Wirth-Programm nicht kennt. Was mich am meisten erstaunte, war die enorme mediale Aufmerksamkeit, die der Ausstellung zukam und wie viele Menschen ernsthaft von den gezeigten Werken ergriffen waren. Diese Reaktionen haben mir schliesslich gezeigt, dass gar niemand hinterfragt hat, wieso ich gerade diesen Künstler zeige. Sondern es hat für alle Sinn ergeben, dass diese grosse Galerie eine zwar mehrheitlich wenig bekannte Position zeigt, diese jedoch von höchster Qualität ist. Auch für künftige Projekte hat mich das enorm motiviert, denn ich habe erkannt, dass die Leute auch bei historischen Positionen extrem neugierig sind. Vielleicht gerade deshalb, weil sie den Kontext, bei Hammershøi das Dänemark des ausgehenden 19. Jahrhunderts, nur wenig kennen. So begegnen sie der Position, als wäre sie eine Zeitgenössische. Und was mich besonders freut: Nach unserer Ausstellung gibt es fünf grosse Museumsausstellungen zum Künstler, die in den nächsten Jahren zu sehen sein werden - wir haben also direkt einen Sweetspot getroffen.»
Ist die Eröffnungsausstellung also als wegweisend für das Programm der Basler Branch zu lesen?
CK: «Das Programm wird stark von mir gestaltet sein, obwohl sich meine Aktivitäten und damit auch die Beschäftigung mit Nachlässen und verstorbenen Positionen nicht auf die hiesige Branch beschränken werden. Aber Präsentationen, die eine historische Auseinandersetzung ins Zentrum setzen, werden die Basler Galerie sicherlich prägen. Mir geht es dabei darum, historische Positionen nicht nur zu zeigen, sondern sie auch für eine neue Generation zu öffnen und zugänglich zu machen. Das heisst nicht, dass nicht auch aktuelle Künstler:innen mit Ausstellungen bedacht werden, aber auch dort sind historische Anknüpfungspunkte zentral für mich.»
Hauser & Wirth ist ein globales Unternehmen und die Eröffnung der Filiale am Luftgässlein wird als Bekenntnis zu Basel gelesen. Wie blickst Du auf die hiesige Szene und welche Rolle spielt die neue Branch in dieser?
CK: «Alle grossen Errungenschaften, die in Basel hochgehalten werden, sei es im Bereich Kunst, Architektur, aber auch unternehmerischer Art, speisen sich immer aus derselben Biografie: Sie haben sich immer aus Basel heraus orientiert und den lokalen mit dem internationalen Kontext verbunden. Verwurzelung und Bindung schliessen das Überwinden von Grenzen und Sprachenvielfalt eben nicht aus. Auf dieser Überzeugung basiert auch meine Ambition, mich nicht auf Basel zu beschränken.
Gleichzeitig, und das wurde intern viel diskutiert, kann man auch bei einer globalen Ausrichtung seine Wurzeln nicht abschneiden. Das wäre auch nie die Absicht und auch gar nicht nötig, denn das Amerbach-Kabinett sowie das daraus hervorgegangene Kunstmuseum sind grosse Identifikationsträger für uns. Aber auch die Verbindung zur Kunsthalle Base ist äusserst prägend: Schaut man auf deren Liste ausgestellter Positionen zurück und wie viele davon heute bei Hauser & Wirth im Programm figurieren, wird sofort offensichtlich, dass die Verbindung zwischen der Galerie und Basel sehr viel Sinn ergibt.»
Sind denn mit diesen Häusern zukünftig auch Kollaborationen geplant?
CK: «Ich kann keine konkreten Projekte nennen, aber sicherlich gibt es keinen Grund, wieso man das nicht will, beziehungsweise ist der Austausch bereits jetzt sehr vielfältig. Der Wunsch, mit Kolleg:innen, Galerien, Kunstschaffenden und Museen im Austausch zu sein und ihnen gegenüber offen und zugewandt zu sein, ist selbstverständlich. Es gibt wenige Orte, wo so viel Empathie und Zugehörigkeitsgefühl herrscht, wie unter den hier ansässigen Institutionen.»
Juli 2024
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Galerie Hauser & Wirth, Luftgässlein 4, 4051 Basel
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