8. Juni 2024

«Eigenartig - im besten Sinne»

Oskar Weiss. Foto: Gina Folly

In den 1980er-Jahren war Klaudia Schifferle eine prägende Figur der Schweizer Punkszene und spielte Bass in der international einflussreichen Band Kleenex (später LiLiPUT), deren Musik andere Grössen, darunter Kurt Cobain, inspirierte. Die Basler Galerien Mueller und Weiss Falk zeigen nun einen überfälligen Querschnitt über die vergangenen 50 Schaffensjahre von Schifferles Oeuvre als Bildende Künstlerin. Mit Oskar Weiss haben wir über dieses Projekt und die Entwicklung der Galerie Weiss Falk gesprochen.


Wie ist die Galerie Weiss Falk entstanden und mit welcher Philosophie führt ihr sie?

OW: «2016 haben sich Oliver Falk und ich aus einem Impuls dazu entschlossen, in Basel einen Kunstraum zu eröffnen. Für mich, der immer in Zürich gelebt hat, war es eine tolle Aufgabe, woanders etwas aufzubauen und eine Verbindung zwischen den beiden Städten herzustellen, die auch sehr unterschiedlich funktionieren. Seit damals führen wir die Galerie in der Rebgasse. Bis durch die Pandemie das Pendeln eingeschränkt wurde und wir die Idee fassten, auch in Zürich präsent zu sein, wo wir seit Dezember 2021 einen weiteren Standort führen. Unser Programm entwickelte sich sehr organisch und im Kontext dieser beiden Städte. Es war ein Herantasten und zuerst haben wir vor allem Positionen gezeigt, die wir schon durch frühere eigene Projekte kannten. Inzwischen repräsentieren wir nationale und internationale Künstler:innen, die wir regelmässig zeigen.»

Wie unterscheiden sich die Zürcher und Basler Szene aus deiner Perspektive?

OW: «Für uns kam Basel in erster Linie als Standort in Frage, weil man es sich hier gewohnt ist, Kunst zu «konsumieren». Damit meine ich nicht einfach kaufen, sondern der ganze Umgang damit: Kunst gehört hier, in unterschiedlichen Formen, zum täglichen Leben. Und 2016 war in Basel eine besondere Aufbruchstimmung zu spüren. Durch den Shift an der Kunsthochschule, durch die Berufung von Chus Martinez, entstand eine neue Energie, die sich auf die Stadt übertragen hat. Auch in anderen Bereichen gab es, vor allem im Kleinbasel, viele junge Initiativen, zum Beispiel in der Gastro, was einen besonderen Vibe kreierte und Potenzial für Synergien bot. Dadurch empfanden wir es als den idealen Moment, um eine Galerie für hauptsächlich junge Kunst in Basel zu eröffnen. Und mit diesem Gespür haben wir recht behalten. Als wir in der Rebgasse einzogen, gab es dort keine weiteren Galerien, was sich inzwischen geändert hat. Die Szene hier ist gewachsen und steht im Austausch miteinander. Für Basel spricht natürlich auch die Messe und die Internationalität, die eine ganz andere ist, als in Zürich, der Galerienhauptstadt der Schweiz.»

Tina Braegger, Paint it Black, 2022. Courtesy of Weiss Falk and the Artist


Du hast die junge Szene angesprochen: Kommen denn die Studierenden der Kunsthochschule zu euren Ausstellung?

OW: «Inzwischen hat sich vieles verändert. Das hat natürlich auch mit unserem eigenen Alter zu tun. Wir haben jung angefangen und waren damals quasi gleich alt wie die Studierenden. Aber der Austausch mit ihnen bleibt wichtig und ich motiviere junge angehende Künstler:innen in Gesprächen, eine Neugierde gegenüber dem eigenen Umfeld und den gezeigten Ausstellungen zu behalten. Viele sind auch selbst Teil dieses Umfelds und mitverantwortlich für die florierenden Offspace-Szenen in Basel und Zürich und tragen ihre Anliegen an die Kunst nach aussen.»

Was hat Dich zu Deiner Arbeit inspiriert - was ist Dein Hintergrund?

OW: «Ich habe in Zürich den Vorkurs gemacht, mit der Absicht, in der Filmproduktion tätig zu werden. Daneben habe ich in einer Galerie gejobbt und es hat sich für mich bald herauskristallisiert, dass mein Interesse am Filme produzieren vor allem darin liegt, meine Kreativität mit anderen zu verbinden, um gemeinsam an einem Produkt zu arbeiten - sei es an einem Film, einem Buch oder einer Ausstellung. Diese Form der Zusammenarbeit ist auch in der Galeriearbeit gegeben. Da ich in einem künstlerischen Umfeld aufgewachsen bin, gab es für mich schon früh die Möglichkeit, in diese Welt hineinzublicken und bereits sehr jung mit Künstler:innen für Ausstellungen zusammenzuarbeiten. Seit über 10 Jahren mache und verlege ich auch Bücher. Das nächste ist die Publikation zu unserer Klaudia Schifferle-Ausstellung und wird am 13. Juni vorgestellt.»

Installation view, Emily Sundblad, Secrets and Waves, Weiss Falk, Zürich. Courtesy of Weiss Falk and the Artist. Foto: Gina Folly


Für eure Galerie-Ausstellungen arbeitet ihr auch immer wieder mit Kurator:innen zusammen. Wie läuft diese Zusammenarbeit ab?

OW: «Wenn wir mit Kurator:innen zusammenarbeiten, dann laden wir sie meistens schon mit einer ganz bestimmten Idee ein. Die aktuelle Ausstellung ist von Reto Thüring kuratiert. Diese Zusammenarbeit mit uns ergab sich aber eher durch einen Zufall: Bei seinem Besuch in unserer Zürcher Galerie erzählte er von einem Projekt der Künstlerin Klaudia Schifferle mit der Galerie Mueller. Dominik Mueller, der sich bei Schifferle auf die Werkphase 1970-1990 konzentriert, hat seine Galerie in unmittelbarer Nachbarschaft zu uns. So entwickelten wir die Idee, das Projekt auszuweiten und in unseren Räumlichkeiten zeitgleich aktuelle Arbeiten von Schifferle zu zeigen. Auch hier stand die Zusammenarbeit und die Perspektiven, die jede:r mitbringt, im Vordergrund: Die Künstlerin und Thüring haben die bei uns zu sehenden Werke ausgewählt und wir haben sie gemeinsam bei uns gehängt.»

Installation view, Klaudia Schifferle, Die Tiere Die Türe, Weiss Falk, Basel. Courtesy of Weiss Falk and the Artist. Foto: Gina Folly


Inwiefern erweitert die Publikation eure Ausstellung?

OW: «Klaudia Schifferle hat immer eine ganz eigenständige Sprache aufs Parkett gebracht und das macht ihr Werk und sie als Figur auch heute noch so relevant. Es ist eine nie ausgehende Flamme an Energie und Neugierde spürbar. Die Ausstellung gibt einen Einblick in die letzten 5 Dekaden von Schifferles Arbeit, der jedoch nicht abschliessend ist. Im Katalog sind weit mehr Arbeiten abgebildet und von Reto Thüring und Séverine Fromaigeat sind für ihn zwei Texte entstanden, in denen einerseits die Künstlerin ins Zentrum gerückt wird und andererseits analytisch auf das Werk geschaut wird. Für Schifferle sind auch Schrift und Sprache zentrale Elemente in ihrem Ausdruck und so wird der Katalog auch eines ihrer Gedichte beinhalten.

Die Künstlerin war eng involviert in die Katalogentwicklung, die wir zusammen mit der Grafikerin Anne Stock umgesetzt haben. So nimmt der Katalog auch in seinem Erscheinungsbild Bezug auf Fragen, die Schifferle in ihrer Arbeit stellt, sei es nach Materialität, Fragilität oder dem Experiment. Dieser Punkt ist mir auch als Verleger sehr wichtig, dass wir nicht klassische Ausstellungskataloge machen, sondern, dass unsere Publikationen wirklich als die Ausstellung erweiternd verstanden werden können. Zudem gibt es die stringente Trennung der Werke von 1970 bis in die 1990er und den aktuellen Werken, wie es in der Ausstellung gehandhabt wird, im Katalog nicht. Dort hat sich Schifferle ganz bewusst die Gegenüberstellung von älteren und neueren Werken gewünscht. So kommt Klaudia im Katalog in all ihren Facetten, ihrem wahnsinnigen Spirit, enormen Schaffensdrang und ihrer ganzen Verspieltheit nochmals auf eine andere Weise rüber als in der Ausstellung. Und das sind die Qualitäten, die ihr Werk toll und eigenartig - im besten Sinne - machen.»

Juni 2024

////

Klaudia Schifferle «Die Tiere Die Türe» kuratiert von Reto Thüring. 25.5. - 13.7.2024

Galerie Mueller, Rebgasse 46, 4058 Basel & Weiss Falk, Rebgasse 27, 4058 Basel

////

Klaudia Schifferle «Die Tiere Die Türe». Book Launch & BBQ: 13. Juni 2024 im Hinterhof der Galerie Weiss Falk.

Weiterführende Beiträge